Ahrensburg (ve). Heute ist ihr letzter Schultag vor den Ferien. Doch einige von diesen Schülerinnen und Schülern haben erst zwei Wochen, andere zwei Monate Unterricht. Es sind alles Schüler des DaZ-Zentrums an der Gemeinschaftsschule am Heimgarten. Schüler, die gerade erst in Deutschland angekommen sind. ahrensburg24.de haben sie erzählt, was für sie neu ist in diesem Land.
DaZ-Zentrum an der Gemeinschaftsschule am Heimgarten: Eine der Klassen, in der Kinder aller Altersstufen gemeinsam lernen.
Kinder aller Altersstufen der weiterführenden Schule und aus aller Herren Länder sitzen in einem Klassenraum. Sie haben Unterricht in unterschiedlichen Fächern aber mit einem Ziel: Deutsch als ihre Zweitsprache (daher der Name DaZ) zu erlernen. Im Zuge der Ankunft vieler Flüchtlinge gibt es immer mehr DaZ-Klassen an der Gemeinschaftsschule. Aber nicht nur Flüchtlinge werden dort unterrichtet, sondern alle Kinder, die Deutsch lernen müssen, bevor sie in die Regelklassen wechseln können.
Und doch sind Flucht und Gewalt beherrschendes Thema in der Klasse. Die Kinder berichten als erstes von Lehrern, die sie angebrüllt oder sogar geschlagen haben, als ahrensburg24.de nach ihren Erlebnissen fragt. Ein Junge steht auf: “So getreten hat er”, sagt er laut und ahmt mit dem Fuß einen starken Tritt nach. “Unser Lehrer hat mit dem Lineal auf unsere Hände geschlagen”, sagt ein anderer. Und dann: “Das gibt es hier nicht”, sagen sie lächelnd, “das ist hier viel besser. Hier ist alles sauber und pünktlich, das ist gut”, finden die Kinder.
Integration: Sie funktioniert automatisch
Integration findet in dieser Klasse automatisch statt: Aus Albanien und dem Kosovo, aus Russland, Syrien oder Polen kommen die Mädchen oder Jungen. Ihre Ankunft ist natürlich nicht an die deutschen Schulferien gekoppelt, so kann jeden Tag ein neues Mädchen oder ein neuer Junge in die Klasse kommen. Andere wiederum sind inzwischen so gut im Umgang mit der deutschen Sprache, dass sie die Klasse verlassen können. Und auch das gibt es: Familien werden abgeschoben und die Kinder sind eines Tages einfach weg. Die Kinder trauern, wenn ein Kind von seiner bevorstehenden Abschiebung weiß und davon erzählt.
“Die Kinder gehen ganz schnell aufeinander zu und helfen sich”, hat Ella Knoll beobachtet. Sie leitet das DaZ-Zentrum. “Das ist wichtig. Wenn die Kinder hier ankommen, haben sie häufig Angst. Angst aus der Vergangenheit und Angst vor der Zukunft. Wenn sie merken, dass die anderen Kinder ihnen helfen, ist schon der erste Schritt getan und sie kommen gerne in die Schule.”
DaZ-Zentrum an der Gemeinschaftsschule am Heimgarten: Die Unesco-Beauftragte Kathrin Peters, Schulsekretärin Sandra Böning, die Koordinatorin und Lehrerin Ella Knoll und der Lehrer Thomas Gehrke (von links) erleben den großen Zustrom der Schülerinnen und Schüler als Bereicherung.
Die Ahrensburger Schule geht mit diesen DaZ-Klassen ganz bewusst einen Sonderweg: “Wir integrieren die Kinder nicht von Beginn an in die Regelklassen, wie es eigentlich vorgesehen ist”, sagt Ella Knoll. “Sondern wir bereiten sie in den DaZ-Klassen auf den Unterricht vor.” Dass das erfolgreich ist, haben inzwischen auch andere Schulen gemerkt, die sich das Konzept von Ella Knoll erläutern lassen.
Allerdings: Das Konzept ist nicht neu, nur hat es durch den Zuzug von vielen Flüchtlingen enorm an Bedeutung gewonnen. Vor zwei Jahren noch wurden an der Schule insgesamt 27 Wochenstunden Unterricht in DaZ-Klassen gegeben, heute sind es 91 Wochenstunden. Zwölf Kolleginnen und Kollegen geben in den Klassen Unterricht in Fächern wie Mathe, Englisch, Kunst, Naturwissenschaften und Sport – oder eben Deutsch.
DaZ-Zentrum: Die Schule für Kinder in und um Ahrensburg
Und mit der Ankunft weiterer Flüchtlinge wird das DaZ-Zentrum weiter wachsen. Derzeit werden 51 Kinder in den DaZ-Klassen unterrichtet, nach den Ferien werde elf weitere dazu kommen. Die Abteilung der Gemeinschaftsschule am Heimgarten ist dabei als überregionales Zentrum angelegt, Kinder im Alter zwischen zehn und 15 Jahren aus den umliegenden Städten und Gemeinden kommen nach Ahrensburg zur Schule und wechseln dann auf die Regelschulen in ihrem Heimatort. Ältere Kinder gehen auf die Berufliche Schule.
Um die Situation zu entzerren, ist geplant, eine Außenstelle des DaZ-Zentrums in Bargteheide an einer Schule aufzubauen. Für beide Standorte werden immer wieder Lehrerinnen und Lehrer gebraucht, “es ist nicht immer einfach, Kolleginnen und Kollegen mit der richtigen Qualifikation zu finden”, hat es Thomas Gehrke beobachtet, der an der Gemeinschaftsschule für die Personalplanung zuständig ist.
In den DaZ-Klassen lernen die Kinder mehr, als nur Deutsch und Mathe. “Wir haben hier ein ganz genaues Konzept, wie Unterricht funktioniert. Die Kinder lernen den Lehrstoff und sie lernen, in Deutschland zu leben”, sagt Ella Knoll. “Natürlich gibt es auch Kinder, die zum Beispiel noch nie eine Schule besucht haben. Sie müssen nicht nur Lesen und Schreiben völlig neu lernen, sondern auch das Verhalten in einer Schule.”
Dabei geht es häufig auch um das soziale Umfeld. “Auch die Eltern müssen manchmal lernen, dass ihre Kinder jeden Tag pünktlich zur Schule kommen müssen”, sagt Ella Knoll. Sie kennt alle Familie und erlebt große Aufgeschlossenheit. Denn vor dem Schulbesuch kommt ein Beratungsgespräch in der Familie, “manche kommen mit einem ganzen Familienverband”, so Ella Knoll. Dann gilt es, das System Schule zu erklären.
Seit fünf Jahren koordiniert Ella Knoll zusammen mit der Konrektorin Heike Werner und Edyta Konieczny sowie der Unesco-Beauftragten Kathrin Peters und der Schulsekretärin Sandra Böning das DaZ-Zentrum. “Es ist eine große Bereicherung für uns”, sagt sie, “ich lerne so viele Kinder kennen, die lernen wollen.” Und die ihren Weg machen – an die Regelschule zu Mittleren Abschluss, zum Abitur.
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